* 3. Juli 1854
† 12. August 1928
von Jakob Knaus
Essay
Die späte Anerkennung von Leoš Janáček sowohl im eigenen Land als auch im westlichen Europa ist in seiner persönlichen wie in der kulturpolitischen Konstellation begründet. Dass seine Opern in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine sehr starke Verbreitung fanden, hängt mit den Stoffen zusammen, mit den großartigen Frauengestalten (Jenůfa, Katja, Füchslein, Elina Makropulos) und der Thematik des ausgegrenzten Menschen (Z mrtvého domu [Aus einem Totenhaus], nach Fedor Michajlovič Dostoevskij, 1927/28).
Darüber hinaus vermag die Klangwelt von Janáček jenen Musik-Begeisterten den Zugang zur neueren Musik zu verschaffen, die vor Atonalität und Zwölfton-Technik zurückschrecken. Die reich differenzierte Rhythmik mit ihrem tänzerischen Impetus, die Frische des instrumentalen Klanges sowie die lyrische Intensität verhelfen zu einer unmittelbaren emotionalen Wirkung, die auch dort erreicht wird, wo zu erwarten wäre, dass die tschechische Sprache die Rezeption erschweren würde. Erstens ermöglicht es die durch die eigenwillige Instrumentation erzielte unausgefüllte Mittellage (z.B. hohe Streicher mit tiefen Bläsern kombiniert) den Singstimmen, sich meist unforciert und doch gut verständlich zu artikulieren. Und zweitens verhilft die kompositorisch intensiv genutzte Melodik der gesprochenen Sprache zu Formulierungen, die einen Gefühlsreichtum so direkt vermitteln, wie dies einem Komponisten des 20. Jahrhunderts sonst ...